Matinee der Gluck-Forschungsstelle Salzburg
Ende Oktober fand im Kardinal-Schwarzenberg-Haus in Salzburg eine Gluck-Matinee statt. Der Einladung der Gluck-Forschungsstelle
und der NÜRNBERGER Versicherung AG Österreich folgten zahlreiche Vertreter aus Politik und Kultur, Wissenschafter und Universitätsvertreter,
sowie Geschäftspartner und Mitarbeiter der NÜRNBERGER Versicherung. Geboten wurde neben musikalischen und tänzerischen Darbietungen durch
das Ensemble „Musica et Saltatoria“ auch eine Präsentation aktueller wissenschaftlicher Arbeiten der Forschungsstelle.
Gluck und Salzburg
Mit der Musikstadt Salzburg verbindet man in erster Linie den Namen Wolfgang Amadeus Mozart, den wohl berühmtesten Sohn der Salzach-Stadt.
Nur wenig bekannt ist, dass auch Mozarts älterer Zeitgenosse Christoph Willibald Gluck Verbindungen zu Salzburg aufzuweisen hat. Zwar war
Gluck selbst Zeit seines Lebens wohl nie in Salzburg, doch die musikwissenschaftliche Forschung zu Leben und Werk des großen Opernreformators
nimmt seit Jahrzehnten einen wichtigen Platz in der Salzburger Forschungslandschaft ein. Mit der Berufung Gerhard Crolls als Ordinarius für
Musikwissenschaft an die Paris-Lodron-Universität Salzburg kam auch die Editionsleitung der Gluck-Gesamtausgabe nach Salzburg, die seitdem im
Mittelpunkt der Aktivitäten der Gluck-Forschungsstelle steht.
Die Gluck-Forschungsstelle Salzburg
Die Forschungseinrichtung an der Paris-Lodron-Universität Salzburg wird von em. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Croll und Univ.-Prof. Dr. Claudia
Jeschke geleitet. Wissen-schaftliche Mitarbeiterin ist seit 1990 Dr. Irene Brandenburg. Die Gluck-Forschungs-stelle trägt dazu bei, dass
Glucks Werke in modernen Notenausgaben erscheinen und damit der Wissenschaft und der Bühnenpraxis zugänglich gemacht werden. Und sie befasst
sich mit der Erforschung von Glucks Leben und Wirken im Kontext der TheaterKulturen des 18. Jahrhunderts.
Zu den Aufgaben der Forschungsstelle in Salzburg zählen neben der Mitarbeit an laufenden Bänden der Gluck-Gesamtausgabe die Erschließung
musikalischer und dokumentarischer Quellen zu Glucks Leben und Werk. Neben der Gluck-spezifischen Forschung stand von Anfang an die Untersuchung
des musik-, tanz- und theatergeschichtlichen Umfeldes im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Arbeiten.
„Mit der Gluck-Matinee wollen wir auf unsere wissenschaftlichen Arbeiten, die durch das Engagement der NÜRNBERGER Versicherung wesentliche neue
Impulse erhalten haben, aufmerksam machen und einen Eindruck von Glucks Werk – in Theorie und Praxis – vermitteln. Durch die von der NÜRNBERGER
zur Verfügung gestellten Mittel konnten die Arbeiten an der ersten Gesamtausgabe der Gluck-Briefe in Originalsprache fortgesetzt und weitere
wissenschaftliche Projekte in Angriff genommen werden“, erläutert Univ.-Prof. Croll.
Auf Initiative von Gerhard Croll wurde 1987 die Internationale Gluck-Gesellschaft gegründet. Seit 2003 bestehen enge Verbindungen zum Staatstheater
Nürnberg und zur NÜRNBERGER Versicherungsgruppe, die 2005 die Internationalen Gluck-Opern-Festspiele in Nürnberg etablieren konnte. Die Gluck-
Forschungsstelle Salzburg trug dazu durch die Organisation und Durchführung zweier internationaler wissenschaftlicher Kongresse bei, die 2005 zum
Thema „Gluck der Europäer“ und 2008 zu „Gluck auf dem Theater“ unter Federführung von Dr. Irene Brandenburg vorbereitet und durchgeführt wurden.
Im Bild v.l.: Helmut Geil, Hans-Peter Schmidt, Irene Brandenburg, Gerhard Croll, Kurt Molterer
Foto: Auer, Abdruck honorarfrei.
Salzburg, 5. November 2008
Erläuterungen zu Programmpunkten der Gluck-Matinee
Ein Tanz wandert durch die europäische Musikgeschichte –
Zur Gavotte „La Gluck“
Die Gavotte, ein „kleines zum Tanzen gemachtes Tonstück von mäßig munterm und angenehmem Charakter“ (J. G. Sulzer, 1771), ist ein französischer
Tanz volkstümlichen Ursprungs, der ab dem 16. Jahrhundert bei Hofe getanzt wurde und im 18. Jahrhundert ein äußerst beliebter Theatertanz in
Opern war (u. a. von Händel, Gluck und Mozart). Die anlässlich der Gluck-Matinee aufgeführte Gavotte stammt ursprünglich aus Glucks dritter Wiener
Reformoper Paride ed Elena (Wien 1770). Gluck selbst hat das Stück wenige Jahre später in Paris in seinen französischen Opern Iphigénie en Aulide
(1774) und Cythère assiégée (1775) nochmals verwendet.
Dass es sich um eine besonders beliebte Komposition gehandelt hat, zeigt die Tatsache, dass sich die Gavotte unter dem Titel La Gluck in einer
gegen Ende des 18. Jahrhunderts erschienenen Sammlung populärer Tanzmelodien wieder findet, im Recueil de Pot-Poury François et Contredanses
Les Plus à la Mode (Paris o.J.). Dieser kostbare Druck, der sich im Besitz des Tanzarchivs „Derra de Moroda Dance Archives“ der Universität
Salzburg befindet, enthält nicht nur die Noten der Musikstücke, sondern auch choreographische Anweisungen zur Ausführung der Tänze. Auf der
Grundlage dieser interessanten Quelle hat Natalie Gal, die Leiterin des auf historischen Tanz spezialisierten Ensembles „Musica et Saltatoria“,
eine Choreographie konzipiert und einstudiert, die am 31. Oktober 2008 erstmals dargeboten wurde.
Die Glucksche Gavotte wanderte nicht nur durch technisch modernste Musikautomaten über ganz Europa, sondern sie wanderte auch innerhalb des
Œuvres ihres Erfinders (und damit geographisch von Wien nach Paris), und sie fand ihren Weg auch zu anderen Komponisten – und nach Salzburg:
Hier hat sich um 1773 der junge Mozart mit ihr beschäftigt und eine Bearbeitung für 2 Flöten, 5 Trompeten und 4 Pauken geschaffen. Das Autograph
dieser mit Ballo Gavotte betitelten Komposition befindet sich seit 1997 in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien und stellt eine
ausgesprochene Rarität dar. Knapp 100 Jahre später stieß auch Johannes Brahms bei Klaviermusik-Studien auf Glucks Gavotte und ließ sich von
ihr zur Komposition eines Klavierstückes inspirieren, das er Clara Schumann zueignete und das bei der Gluck-Matinee in der Interpretation des
Pianisten Thomas Hauschka zu hören war.
Der Ritter Gluck im päpstlichen Rom – Die Oper Antigono (Rom 1756)
Die berühmteste Oper Glucks ist zweifellos Orfeo ed Euridice / Orpheus und Eurydike mit der Arie „Ach, ich habe sie verloren“, dem Reigen
seliger Geister und dem Furientanz. Wenig bekannt ist, dass Gluck zwischen 1740 und 1765 fast 30 italienische Opern komponiert hat, die vor
allem in Wien und Italien, aber auch in London und Kopenhagen mit zum Teil großem Erfolg aufgeführt wurden und Glucks späteren Ruhm als
Opernkomponist begründeten.
Eines dieser Werke ist die 1756 für das Teatro Argentina in Rom komponierte Oper Antigono, die kürzlich als Band III/20 der Gluck-Gesamtausgabe,
der Ausgabe sämtlicher Werke Glucks, erschienen ist, herausgegeben von der in der Gluck-Forschungsstelle Salzburg tätigen Musikwissenschaftlerin
Dr. Irene Brandenburg. Damit liegt eine weitere nahezu unbekannte frühe Oper Glucks in einer den aktuellen Stand der Forschung berücksichtigenden
kritischen Ausgabe vor, die nicht nur der Wissenschaft neue Erkenntnisse über Gluck vermittelt, sondern der musikalischen Praxis an den
internationalen Opernhäusern eine solide Grundlage für künftige Aufführungen des Werkes anbietet.
Die Präsentation dieses Bandes, der in den letzten Jahren zu den wichtigsten Projekten der Salzburger Gluck-Forschungsstelle gehörte, stand daher
im Mittelpunkt der Matinee. Sie bot interessante Einblicke in die Arbeitsweise einer Musikeditorin, stellte Glucks Oper vor dem Hintergrund des
schillernden römischen Theaterlebens im 18. Jahrhundert vor und wurde durch Musik aus dieser Oper, vorgetragen von Gloria Gottschalk und Thomas
Hauschka, ergänzt.