Die italienische Oper war im 18. Jahrhundert in ganz Europa präsent und ein kulturelles Medium, das Höfe, Herrschafts- und Handelszentren von Neapel bis nach St. Petersburg miteinander verband. Ihre Erforschung als europäisches Phänomen orientierte sich bisher vor allem an Komponisten, Partituren und Orten, weniger an dem künstlerischen Personal. Nachdem nun jüngere Untersuchungen gezeigt haben, dass die Werkhaftigkeit der italienischen Opern viel stärker als bis dato angenommen von dem Moment der jeweiligen Aufführung geprägt war, erweist sich eine solche Perspektive als unzureichend. Sänger, Tänzer, Musiker, Librettisten und Kapellmeister (nicht unbedingt der Komponist selbst) ließen ein Opernwerk durch eigenes schöpferisches Wirken jeden Abend neu erstehen und passten es in einem stetigen Wandlungsprozess immer wieder an die Bedingungen der jeweiligen Aufführung an. Ferner trugen die Opernkünstler als lokal nicht gebundene Kooperativen (Wanderensembles), aber auch als Einzelpersonen in wechselnden Engagements wesentlich dazu bei, dass das Produkt Oper überall gespielt werden konnte – auf der Basis eines gut funktionierenden Netzwerks und Kommunikationssystems. Gluck reiste mit dem Ensemble Pietro Mingottis 1747 bis ca. 1750 durch Europa und brachte 1749 in Kopenhagen seine Oper La contesa dei Numi zur Aufführung, u.a. unter Mitwirkung der Sängerin Marianne Pirker. Mit dem Buch wird erstmals die Korrespondenz zwischen Marianne Pirker und ihrem Mann Franz in einer kommentierten Edition vorgelegt. Sie beleuchtet den italienischen Opernbetrieb unter dem Aspekt der Künstler, ihrer jeweiligen Lebens- und Berufsbedingungen, ihres sozialen Umfeldes und ihrer Integration in gesellschaftliche Strukturen sowie ihrer Karrierestrategien zwischen Mobilität und Sesshaftigkeit. Und sie gibt neue Aufschlüsse über Glucks künstlerisches Wirken und Privatleben in der Zeit seiner Zugehörigkeit zu dem Ensemble.

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien

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